Kunstrasenplatz mit Gummigranulatverfüllung
Bild: Kunstrasenplatz mit Gummigranulatverfüllung

Kunstrasen vor dem Aus?

Mikroplastik, Verbote durch die EU, Innovationen | 06.02.2024

Kunstrasenspielfelder sind wegen ihrer Belastungs- und Strapazierfähigkeit als Trainingsplätze beliebt und überall zu finden. Das Verbot von Mikroplastik und Produkten mit Mikroplastik durch die EU betrifft auch Kunstrasenplätze mit Granulat-Füllungen. Doch was bedeutet das für Betreiber von Kunstrasenfeldern? Was ist zu beachten und zu tun?

Kunstrasen bzw. Kunststoffrasen kennen die meisten unserer Leser als Trainingsplatz eines Fußballvereins. Durch zahlreiche Verbesserungen der Kunststoffrasensysteme wurde das Produkt über die vergangenen Jahrzehnte hinsichtlich der Bespielbarkeit und des Verletzungsrisikos attraktiver. So entstanden auch einige Hauptspielfelder mit der künstlichen Rasenalternative, insbesondere in der Zeit als Kunstrasen mit Gummigranulat verfüllt wurde.

Dieses Gummigranulat (auch Infill genannt) bereitet vielen Betreibern von Kunstrasenspielfeldern Sorge, seitdem die EU ein Verbot dieses Materials beschlossen hat: „Die EU verbietet den Verkauf von Mikroplastik und Produkten, bei denen Mikroplastik verwendet wird. Dazu zählt auch die Granulat-Füllung von Kunstrasenplätzen.“ [1]

Kunstrasen wird nicht verboten, aber das Verfüllmaterial aus Kunststoff

KLEI Tipp vom Fachmann 1920x720 Kunstrasen vor dem Aus Granulat GummiBild: Granulat aus grün gefärbtem Gummi (links) und SBR-Gummi (rechts)
Die Nutzer der ersten Kunstrasensysteme kannten noch kein Gummigranulat. Sie kannten aber die Gefahren dieser frühen Systeme: bei Stürzen kam es zu schmerzhaften Hautabschürfungen und generell waren die Systeme weniger elastisch, viel härter als Naturrasen. Dadurch war auch lange Sportbekleidung kein Garant für ein sicheres Spielerlebnis. Wer damit Erfahrung gemacht hat, spürt es heute noch allein beim Gedanken daran. Die Hersteller wollten dieses Problem beheben und fanden die Lösung in der sogenannten elastischen Tragschicht unter dem Kunstrasen, um den Belag bei Stürzen weicher zu machen. Diese Variante ist heute als 1. Generation bekannt.

Die nächste Entwicklungsstufe erhielt längere Kunststofffasern und eine Sandverfüllung. Damit versuchte man die Optik und Haptik an echten Rasen anzupassen. Diese Stufe nennt man 2. Generation.

In den 90er Jahren entwickelte sich dann die 3. Generation mit der zusätzlichen Verfüllung eines elastischen Gummigranulats. Hier ist das schwarze SBR-Granulat und später die grünen Granulate bekannt. Wer aufmerksam auf einer solchen Anlage oder im Umfeld unterwegs ist, bemerkt schnell, dass das Gummigranulat nicht nur auf dem Spielfeld bleibt. Und darum geht es der EU bei dem Thema.

25.09.2023: EU verbietet Einbringung von Mikroplastik in die Umwelt

Von dem Verbot sind zahlreiche Industriebranchen betroffen, unter anderem auch Kunstrasen-Sportfelder. Denn das auf ihnen ausgebrachte Gummigranulat, das zur Dämpfung und Verbesserung der Spieleigenschaften dient, fällt ebenfalls unter Mikroplastik. Die betroffenen Branchen haben unterschiedlich viel Zeit, das Verbot umzusetzen. Für die Kunstrasenbranche gibt es eine Übergangsfrist von acht Jahren, also bis 2031.“ [2]

Alle bestehenden Plätze dürfen weiterhin genutzt werden (Bestandsschutz). Es muss niemand einen Platz aufgrund der Entscheidung schließen. Bis 2031 dürfen bestehende Kunstrasenplätze auch noch mit Gummigranulat nachverfüllt werden. Der Bestandsschutz sichert die Nutzung der Anlage und dieser gilt bis zum Ende seiner Nutzungs- bzw. Lebenszeit. Wenn der Belag ausgetauscht werden muss, darf ab 2031 kein Gummigranulat mehr verwendet werden. Für Sanierungs- und Neubauprojekte gilt schon heute, dass Belagssysteme mit einer geplanten Gummigranulat-Verfüllung nicht über Fördermittel finanziert werden.

Alternatives Infillmaterial: Kork und geschredderte Olivenkerne

KLEI Tipp vom Fachmann 1920x720 Kunstrasen vor dem Aus Granulat Kork OlivenkerneBild: Granulat aus Kork (links) und Olivenkernen (rechts)
Welche Alternativen gibt es zum Gummigranulat? Es wurden bereits Plätze mit Kork und geschredderten Olivenkernen gebaut. Wie bei jedem anderen Material gibt es Vor- und Nachteile. Kork und Olivenkerne sind nachwachsende Rohstoffe und können schädliches Mikroplastik ersetzen. Da Kork allerdings sehr leicht ist, geht dieses Verfüllmaterial auch leicht verloren. Zusätzlich ist die Haltbarkeit geringer.

Olivenkerngranulat gilt dagegen als robuster. Ein weiterer Vorteil von Olivenkern Infill ist das höhere Gewicht: Es ist schwerer als Kork und Gummigranulat, weshalb weniger Material durch Spielbetrieb, Pflegemaßnahmen, sowie Witterungseinflüsse aus dem Belagssystem verloren geht.[3] Das Material behält seine Eigenschaften bei jedem Wetter, da es bei Feuchtigkeit nicht aufquillt. Für den Outdoorbereich ist das eine wichtige Voraussetzung.

Kunstrasen im Privatgarten ist ein neues Problemfeld

Seit einigen Jahren ist in Deutschland ein Trend erkennbar, der zuvor bereits im Süden Europas vorkam: private Gartenanlagen, die mit Kunstrasen versehen sind. Während z.B. in Spanien, Italien und Griechenland hauptsächlich die Temperaturen für solche Ideen verantwortlich sind, wird in Deutschland oft die Zeitersparnis bei der Gartenpflege als Grund für eine solche Entscheidung genannt.

Doch dass Kunstrasen wirklich die bessere Alternative ist, bezweifeln Fachleute. Bodenexperte Marc Marx sieht Parallelen zu den berüchtigten Schottergärten: "Es ist natürlich keine umweltgerechte Gartengestaltung. Vermutlich heizen sich die Flächen wie bei Schottergärten stark auf." Der kühlende Verdunstungseffekt falle weg. Durch die fehlende Vegetation gebe es auch keine Staubbindung und keine Reinigung der Luft.[4]

Es erscheint absurd, aber während Schottergärten bereits länger in der Kritik stehen, hielt sich die Kritik bei Kunstrasen im Garten zunächst lange zurück. Einige Kommunen und Verbände reagieren inzwischen und diskutieren ein Verbot von Kunstrasen auf privaten Flächen:

„Im Garten sollte Kunstrasen daher tabu sein – ebenso wie Schotterflächen. „Wer eine trockenheitsverträgliche Alternative zum Rasen sucht, kann einen Kräuterrasen oder eine Wiese anlegen. Beide kommen mit Trockenheit viel besser zurecht als ein herkömmlicher Zierrasen, benötigen weder Bewässerung noch Dünger und wenig Pflege und bieten zudem vielen Tierarten Lebensraum“, empfiehlt Melanie Konrad vom NABU.“ [5]

Fazit

Durch die verschiedenen Meldungen in den Medien, angekündigte Verbote, lange Übergangszeiten und Bestandsschutz entstand bzgl. des Themas Kunstrasen allgemein zuletzt Verunsicherung wegen des EU-Verbots zum Mikroplastik. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass es gut ist, dieses Thema anzugehen. Über Details der Regelungen und Termine lässt sich streiten. Die Hersteller werden jedoch auch in Zukunft ihre Produkte weiterentwickeln. Wie bereits bei der Entwicklung der 2. und 3. Generation Kunstrasen geschehen, wird es Innovationen geben, die neu aufkommende Probleme lösen werden. Neue Anforderungen können gesetzlich, über Sportverbände oder auch über den Anspruch und das Verhalten der Nutzer entstehen.

Der Kunststoffrasenplatz der Zukunft muss vielerlei Anforderungen gewachsen sein. Dies ist eine Herausforderung für Industrie und Betreiber. Aber die Produkte entwickeln sich stetig weiter, man ist sich den stetig steigenden Anforderungen bewusst. Es ist bislang nicht abzusehen, ob es irgendwann den perfekten Kunststoffrasen geben wird, der alle Anforderungen zu 100% erfüllt. Aber für viele zukünftige Sportlerinnen und Sportlern werden Kunststoffrasensportplätze wichtige Einrichtungen für ihre körperliche Aktivität und Sportausübung sein und darum lohnt es sich, den Weg der Entwicklung weiter zu gehen.“ [6]

Wir können also positiv in die Zukunft blicken: die Sportart Fußball hat eine hohe individuelle und gesellschaftliche Bedeutung und wird diese auch behalten. Betreiber von Sportanlagen stehen immer in einem Wettbewerb untereinander und werden daher gemeinsam mit Herstellern, Baufirmen und Planungsbüros stetig zur Verbesserung von Produkten, Konzepten und der Herstellung von Sportanlagen beitragen. Priorität haben bei allen Sportbelägen die sogenannten sportfunktionellen Eigenschaften. Als Gartenbesitzer und Landschaftsplaner sehe ich hier auch die Abgrenzung zur Nutzung von Kunstrasen in Privatgärten. Ästhetik oder die Einsparung von Gartenpflege, dürfen kein Grund sein, um der Natur durch die Verwendung von Kunstrasen Vegetationsflächen zu nehmen. Wer einen gepflegten, optisch ansprechenden Rasen haben will, muss die Herausforderung Rasenpflege annehmen und diese auch ein Stück weit „leben“. Wenn man etwas weniger Arbeit mit dem Garten haben will, kann man Blühstreifen und Staudenbeete anlegen, die bei fachgerechter Ausführung leicht zu pflegen sind und einer Vielzahl von Tieren als Unterschlupf und Nahrungsquelle dienen können. Bei der Auswahl von Sträuchern und Bäumen kann man neben den Kriterien Wuchsform, Größe, Farb- und Blühaspekt z.B. auch auf das Merkmal „standortgerechte Vogelnährgehölze“ setzen oder man sucht sich bewusst Obstgehölze aus, die dem eigenen Geschmack entsprechen. Solche Pflanzungen können Sie selbstverständlich auch auf Freiflächen neben Ihrem Fußballplatz vornehmen.

Wir stehen Ihnen als Profis für Landschafts- und Sportstättenbau bei allen Fragen zu Ihrem Bauvorhaben gern zur Verfügung.

Die wichtigsten Punkte für Betreiber von Kunstrasenplätzen:

  • Die EU-Kommission hat im Herbst beschlossen, sowohl den Verkauf von Mikroplastik als auch den Verkauf von Produkten, denen Mikroplastik zugesetzt wurde, zu verbieten.
  • Das Verbot tritt am 16. Oktober 2031 in Kraft.
  • Die Nutzung von bereits verwendetem Kunststoffgranulat in Kunstrasen wird nicht verboten.
  • Ab September 2031 darf kein Kunststoffgranulat mehr verkauft werden.
  • Plätze mit Kunststoffgranulat haben Bestandsschutz und können bis zum Ende ihrer Lebensdauer genutzt werden.
  • Ein Granulat-Austausch gegen Kork oder Olivenkerne ist möglich. [7]

Quellenangabe:

[1] Deutschlandradio, 2023: So sieht die Zukunft des Kunstrasens aus

https://www.deutschlandfunk.de/eu-verbot-mikroplastik-kunstrasen-oekologie-100.html

[2] Polytan GmbH, 2023: Mikroplastik-Verbot durch EU

https://www.polytan.de/news/aktuelles/mikroplastik-verbot-durch-eu/

[3] Vgl. BioPowder.com, 2024: Olive Stone Infill Material and Sand for Artificial Grass

https://www.bio-powder.com/en/artificial-turf-infill/olive-stone-infill-material-sand-artificial-grass

[4] GEO G+J Medien GmbH, 2023: Folge der Trockenheit: Der problematische Trend zum Kunstrasen

https://www.geo.de/natur/oekologie/kunstrasen-trend-entsteht-als-folge-der-trockenheit-33625294.html

[5] Utopia GmbH, 2023: Kunstrasen: Kommt jetzt die nächste Garten-Katastrophe nach den Schottergärten?

https://utopia.de/ratgeber/kunstrasen-im-garten-die-naechste-katastrophe-nach-den-schottergaerten/

[6] Playground + Landscape Verlag GmbH, 2023: Den Herausforderungen gewachsen – der Kunststoffrasenplatz der Zukunft

https://playground-landscape.com/de/article/2724-den-herausforderungen-gewachsen-der-kunststoffrasenplatz-der-zukunft.html

[7] Vgl. Deutscher Fußball-Bund e.V., 2023: FAQs zum Thema Mikroplastik auf Kunststoffrasen

https://www.dfb.de/fussballinfrastruktur/kunststoffrasenmikroplastik/faqs-zum-thema-mikroplastik-auf-kunststoffrasen/

Autor:
Sebastian Leitner
Dipl.-Ing. Landschaftsplanung